Wenn ich aufmerksam manche meiner eigenen Gespräche oder die zwischen anderen Menschen verfolge, stelle ich oft fest, wie wenig Menschen in Gesprächen wirklich zuhören können. Damit meine ich das aktive Zuhören. Natürlich hörst du die Worte. Doch hörst du auch was der andere dir mit seinen Worten sagen möchte? Das erlebe ich in meinem Beruf oder in Besprechungen mit Kunden. Ebenso zu finden in privaten Gesprächen mit Freunden, in der Familie oder in meiner Partnerschaft.
Normalerweise irritiert es mich, wenn Gesprächspartner mich unterbrechen. Sie unterbrechen mich, um etwas richtigzustellen. In ihrem Sinne natürlich. Oder sie kritisieren etwas an mir. Natürlich auch in ihrem Sinne. Ich höre auch schon mal eine Bewertung meiner Aussage. Auch ohne eine Nachfrage, was ich überhaupt damit meine. Oft bemerke ich – am Gesichtsausdruck des anderen – dessen geistige Abwesenheit. Dann wiederum merke ich, dass der andere während meines Redens nur auf ein Stichwort wartet. Er wartet um seinen eigenen Gesprächsbeitrag – entweder gleich oder später – anzubringen ohne mich aussprechen zu lassen.
Doch sind diese Gespräche zum gegenseitigen Austausch von Meinungen und unterschiedlichen Standpunkten enorm wichtig. In beruflichen wie privaten Beziehungen. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, FuelBox für dich und eure Gespräche bekannt zu machen.
Ich kenne zum Glück auch Situationen, wenn ein anderer tatsächlich zuhört. Er nimmt meinen Gesprächsfaden auf und vertieft ihn. Das zeigt, dass er sich wirklich für meinen Standpunkt interessiert. Wie wohltuend, wie bereichernd für beide Seiten – und wie selten. In diesem Artikel zeige ich auf, warum das schwierig ist. Und wie es möglich ist, ein Gespräch miteinander zu führen, dass beide genießen können.
Warum Zuhören so schwierig ist
Im Gespräch treffe ich auf die Welt des anderen. Er gibt mir mit seinen Worten ein Bild. Dieses ist seine Sicht auf die Welt. Anders ausgedrückt, er stellt mir sein Bild und seine Meinung zur Verfügung. Dieses Bild hat er sich zu einem bestimmten Thema gemacht. Und dieses Bild verteidigt er auch mit passenden Argumenten, mit zum Teil heftigen Gefühlen und entsprechenden Wertungen wie „Richtig“, „Falsch“ oder „Gut“ und „Schlecht“.
Das kennst du bestimmt aus unterschiedlichen Situationen. Du startest mit einem Thema und der andere versucht seine Sichtweise des Themas anzubringen. Er dockt nicht bei dir an und es ist ihm nicht wichtig, dass du wirklich verstehst. Nein, er versucht dir seine Sichtweise „zu verkaufen“. Das klingt hart, doch letztendlich geht es den meisten darum. Die andere Person möchte dich also überzeugen und sich dabei mit deiner Sichtweise gar nicht auseinandersetzen. Geschweige denn, dass er verstehen wollte, was du mit deiner Sichtweise sagen möchtest. Wie du zu dieser Sichtweise in deinem Leben gekommen bist. Welche Vorteile du durch diese Sichtweise in deinem Leben erlebst. Und das finde ich sehr schade. Denn nur durch gegenseitiges Verständnis kann ich lernen und meinen Horizont erweitern.
Für das aktive Zuhören ist genau dies erforderlich. Gelingt es dir und mir nicht – und das ist die Regel – kommt es zu gemeinsamen Monologisieren und dem gegenseitigen Bekämpfen des Standpunktes des anderen.
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Was meine ich mit aktivem Zuhören konkret?
Welche Fähigkeiten brauche ich für das aktive Zuhören? Aus meiner Sicht und Erfahrung sind es acht grundsätzliche Fertigkeiten:
Stelle deine eigene Meinung zurück, habe nicht immer Recht
„Also, das sehe ich ganz anders“ ist die Lieblingsantwort vieler Menschen. Sie müssen ihre Meinung zu allem äußern, was jemand sagt. Meist schon nach dem ersten oder zweiten Satz, den sie hören. Ohne mich ausreden zu lassen. Für ein Gespräch ist dieser Reflex unpassend. Denn dann bestreitet der eine den überwiegenden Teil des Gesprächs. Derweil der andere sich ärgert und zunehmend verstummt. Oder beide müssen dauernd ihre unterschiedlichen Standpunkte loswerden und kämpfen um die Worthoheit.
Die Fähigkeit, seine Meinung nicht zurückstellen zu können, hängt auch mit der Idee mancher Menschen zusammen, immer Recht haben zu müssen. Das Miteinandersprechen wird dann nicht als eine Gelegenheit gesehen, etwas Neues zu erfahren. Sondern sie fühlen sich eher dominiert. Und wollen selbst durch ihre Sichtweise dominieren. Wem es schwer fällt, seine Meinung zurückzuhalten, kann man dies so lösen, dass man andeutet, anderer Meinung zu sein, aber erst mal die Meinung des anderen hören möchte. Also sagt man beispielsweise: „Ich bin zwar anderer Meinung aber mich interessiert, wie Du zu Deinem Standpunkt über … kommst.“
Respektiere den sichtbaren Unterschied
In der Regel fühle ich mich mit Menschen, wohl, die recht ähnliche Interessen, Meinungen und Standpunkte haben. Ganz gleich, ob das jetzt politisch, religiös oder kulturell ist. Auch Menschen mit gleichen Interessen (Reisen, Architektur oder Fußball) bringe ich erst mal spontan mehr Sympathie entgegen.
Doch auch hier gilt: Unterschiede beleben das Gespräch und können zum Wissenszuwachs und Erkenntnisgewinn für uns beide beitragen. Wenn ich mit einem anderen Fußballfan über unseren Sport begeistert rede, erfahre ich meist wenig Neues. Das ist in Ordnung. Doch begegne ich als begeisterter Fußballer einem ambitionierten Golfer, dann wird es oft beim Thema „Sport“ kritisch. Weil wir beide wahrscheinlich unsere Sportarten dem anderen gegenüber interessant machen wollen.
Auch in der Paarbeziehung gibt es diese Unterschiede. Ich brauche die gegenseitige Bereitschaft den anderen in seinem Anderssein zu respektieren. Darin liegt der Gewinn meiner Beziehung. Durch die Unterschiede in unseren Wahrnehmungen und Interpretation von Dingen und Ereignissen. Diese Unterschiede geben mir Gelegenheit etwas Neues zu erfahren. Vielleicht über mich oder über die andere Person. Und das ist gut so. Bereichert es doch die Beziehung und stärkt sie für schwierige Zeiten.
Beziehe deine Gefühle und Intuition mit ein
Die Gefühle des anderen wie auch die eigenen Empfindungen während eines Gesprächs sind wichtige Informationsquellen. Diese angemessen anzusprechen, ist oft hilfreich und für das Gespräch vertiefend.
Beispiele:
„Du schaust ganz interessiert, während ich dir … zeige.“
„Deine Stimme klingt gedrückt, wenn du darüber sprichst.“
„Du siehst nachdenklich aus.“
„Du wirst ganz aufgeregt, wenn du davon erzählst.“
Du musst nicht gleich alles verstehen
Wir Menschen sind emotionale Wesen. Wir handeln zumeist aus Motiven, Empfindungen, Ängsten oder Erwartungen heraus. Manchmal weiß ich selbst nicht, warum ich etwas so und so sehe und vertrete. Wenn ich von meinem Gegenüber dann höre „Das ist doch völlig unlogisch!“ oder „Das verstehe ich nicht, ich würde ganz anders handeln“ verstärkt das meine Distanz zu meinem Gesprächsteilnehmer. Das mag für meine eigene Abgrenzung wichtig sein, doch zur gegenseitigen Verständigung führt es nicht. Ich kann es mir leichter machen. Wenn ich mir erlaube, das vom anderen Gesagte nicht gleich verstehen zu müssen. Trotzdem kann ich im Kontakt bleiben. Ich kann zum Beispiel sagen:
„Du scheinst selbst noch hin und her gerissen zu sein.“
„Irgendwie verstehst du selbst noch nicht, warum du so handelst.“
„Es hört sich für mich widersprüchlich an aber für dich scheint es doch Sinn zu machen.“
Stelle weiterführende Fragen
Wenn ich aus einem Gespräch nicht nur Wiederholungen hören möchte, brauche ich interessierte und intelligente Fragen. Fragen, um den Standpunkt des Anderen besser nachzuvollziehen. Ich muss es nicht verstehen. Ich darf auch etwas einfach stehen lassen, wie es gesagt wurde. Dafür kann ich Fragen nutzen, die der andere nicht sofort mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann, weil er erst nachdenken muss:
„Was gefällt dir an der Sache so?“
„Warum hast du dich gerade für XY entschieden?“
„Was bedeutet es für dich, als … zu arbeiten?“
Weitere Fragebeispiele kannst du in der Fuelbox Paare finden. Wenn dich interessiert, wie du weiterführende Fragen einsetzen kannst, lies dort einfach weiter.
Stelle deine negative Wertung zurück
Durch unsere Erziehung lernen wir Dinge, Ereignisse, andere Menschen und uns selbst zu bewerten. Meistens eher in eine negative Richtung. Dabei gleichen wir automatisch unsere eigene Meinung über uns selbst ab. Das bedeutet, dass wir uns immer mit anderen vergleichen. Dabei kommen wir meist nicht gut weg. Das kann dann bedeuten, dass der andere immer besser in unseren Augen da steht. Dann brauchen wir die Bewertungen, um uns wieder ein gutes Gefühl zu geben. In vielen Situationen können diese Bewertungen sinnvoll sein.
In einem Gespräch sind diese Bewertungen meistens der Gesprächskiller Nr.1. Durch eine Bewertung wird das Gespräch schnell einsilbig oder oberflächlich. Wenn ich bewertet werde, dann versuche ich meinen Standpunkt zu verteidigen und zu rechtfertigen. Das ist dann eher ein Kampf gegeneinander als ein Gespräch miteinander. Oder ich zucke zurück, werde einsilbig und verstumme womöglich ganz. – Mir doch egal, was der andere jetzt denkt, er bewertet mich ja sowieso nur nach seiner Sichtweise. Und er respektiert meine Sichtweise nicht. –
Diese Bewertungen tragen dann kaum zu einem inhaltlich guten Gespräch bei. Denn mein Gesprächspartner will mir ja etwas mitteilen. Er hat den Wunsch mir eine Botschaft zu geben. Und diese Botschaft kann ich für mich erfahren, wenn ich nachfrage. Nachfrage, wie die andere Person das meint, was sie gerade sagt. Oder ich sie bitte, das Gesagte mit anderen Worten nochmal zu wiederholen.
Hierzu gehört auch, dass mir etwas, das ich als Antwort bekomme, nicht gefällt. Dann sollte ich nicht gleich gekränkt oder beleidigt sein. Das kann fürchterlich schwer sein, weil meine eigenen Gefühle mich völlig überfluten können. Doch dann ist es immerhin noch besser, dass ich das angemessen äußere. Oder ich kann eine kurze Gesprächspause vereinbaren. Oder ich kann die andere Person bitten, das Gesagte nochmal respektvoll zu wiederholen oder einen positiven Satz zu bilden.
Unterbrich den anderen möglichst nicht
Viele Gespräche ähneln Kämpfen um Zeit und Aufmerksamkeit. Wer hat die besseren Argumente? Wer sticht den anderen aus? Das geschieht oft, indem ich den anderen unterbreche. Das kann manchmal notwendig und ganz belebend wirken. Doch oft leidet unter dieser Anspannung des Gefechts der Gesprächsinhalt.
Damit ich ein Gespräch aufbauen kann, benötige ich Raum und Zeit. Ich und der andere brauchen auch mal kleine Pausen. In denen können wir beide das Gesagte und Gehörte verdauen und nachklingen lassen. Diese Pausen kann ich nur dann machen, wenn mich der andere auch lässt. Je weniger der andere mich unterbricht, umso ruhiger und tiefer kann unser Gespräch werden. Das kann ich einläuten mit den Worten:
„Lass mich kurz über das Gesagte nachdenken.“
„Ich brauche eine Minute. Moment bitte.“
„Das war mir gerade zu schnell. Kannst du das bitte nochmal langsamer wiederholen?“
Sage dem anderen, was du verstanden hast
Für mich selbst mag es genügen, nur zuzuhören. Doch der andere weiß erst mal nicht, ob ich ihm zuhöre. Vor allem wenn ich ihn nicht anschaue. Er weiß vor allem nicht, was ich gehört bzw. was und wie ich das Gehörte verstanden habe. Deshalb ist es wichtig, an bestimmten Punkten zurückzumelden, dass ich zuhöre. Und was ich verstanden habe. Des Öfteren geht es nicht nur darum, was gesagt wurde. Also nur um die Worte. Es geht um mehr, nämlich was die Worte meinen können. Also Teile des Gehörten wiederzugeben und zu interpretieren, die der andere nur angedeutet hat. Dabei handelt es sich oft um Gefühle, Überzeugungen, Werte, Bedürfnisse oder Wünsche. Als Zuhörer kannst du dich fragen:
Was empfindet mein Gesprächspartner gerade?
Was ist ihm an dem, was er gerade sagt, so wichtig?
Worum geht es ihm? Was wünscht er sich?
Der Einstieg für deine Rückmeldung könnte dann wie folgt laufen:
„Aha, du meinst also …“
„Dir ist also wichtig, dass…“
„Du möchtest gerne …“
„Du bist frustriert, weil…“
„Du denkst … , weil …“
Wenn dir etwas unklar ist, kannst du sagen:
„Könnte es sein, dass …“
„Ist es möglich, dass …“
„Meinst du damit, dass …“
Mit diesen acht Tipps kannst du deine Gespräche zu großartigen Gesprächen verändern. Es ist schwer dem anderen zuzuhören, wenn ich emotional betroffen oder getroffen bin. Das ist so. Dafür bin ich Mensch. Und ich kann auch lernen in diesen Situationen meine Gespräche anders zu führen. Mit dem anderen gemeinsam zu reden. Miteinander – nicht gegeneinander.
„Die Kunst des Zuhörens“ ist der Titel einer passenden Literaturreihe. Der Titel beschreibt damit wohl am besten, dass Zuhören eine Fähigkeit ist. Die mir nicht in den Schoß fällt und immer noch verbessert und vertieft werden kann. Auch nach Jahren der Partnerschaft. Oder mit den Kindern. Vielleicht hast du Lust das eine oder andere Buch dazu zu lesen. Ich wünsche dir dabei viel Erfolg.
Welche Erfahrungen hast du mit dem aktiven Zuhören gemacht?
Das ist ja mal wieder ein sehr gelungener Artikel von Ihnen, Herr Wehrs. Habe ihn gerade mit Freunde und großem Interesse gelesen!
Herzlichst,
Tina Schlingmann
Hallo Frau Schlingmann, danke Ihnen für das Kompliment und ich freue mich, dass ihnen meine Gedanken zum Thema gefallen. Herzlichst, Thomas Wehrs