So langsam glaube ich es: Ich bin zu „erwachsen“ für Modewörter aus der Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen. Woran ich das merke? Ganz einfach: Neue oder trendige Begriffe kommen scheinbar bei mir immer als letztes an. Ich habe eine kurze Frage an dich: Hast du schon mal was von „Benching“ gehört? Nein? Na, dann lies diesen Artikel weiter und du wirst ein bekanntes Thema in neuem Outfit erleben.
Nach dem ersten Kennenlernen im realen Leben
Du triffst eine Person, die dir sehr sympathisch ist. Sie kommt liebenswert und anziehend rüber. Also rundum ein toller Mensch. Mit dem du dir auch eine Beziehung vorstellen könntest, aber eben nur … vielleicht.
Nun ist es gerade in der ersten Kennenlernphase schon reizvoll, den weiteren Kontakt etwas hinauszuzögern. Das habe ich selbst auch das eine oder andere Mal so gemacht. Das erhöht die Spannung, prickelt ein wenig im Bauch und gibt dir ein gutes Gefühl. Du träumst vielleicht von gemeinsamen Zeiten und Erlebnissen. Stellst dir eine gemeinsame Zukunft vor. Malst diese Zukunft mit inneren Bildern aus. Erfreust dich an deiner Kreativität.
Dieses verzögernde „Hinhalten“ ist ein positives Hinauszögern. Hierdurch kannst du die Zeit des Kennenlernens künstlich verlängern. Und du erreichst einen zusätzlichen schönen Nebeneffekt: Die Person der Begierde am Anfang schon ein wenig zu vermissen. Das klingt im ersten Moment als eine gute Sache, oder?
Für den nächsten Kontakt kannst du nach dem ersten Treffen ein paar Tage vergehen lassen. Nach ein paar Wochen weißt du, ob und was du von der anderen Person willst. Ein paar Monate später dann die Entscheidung: Mündet die Affäre in eine ernsthafte Beziehung, oder nicht? Und nun die wichtige Information für dich: Irgendwann solltest du dich entscheiden. „Benching“ nannte der Journalist Jason Chen im „New York Magazine“ dies, wenn Menschen das nicht tun. Die andere Person wird über Wochen und Monate von dir in einer Warteschleife der Zuneigung gehalten und dadurch im Unklaren gelassen. Das ist eher unfair.
Benching? „Warmhalten“ nannten wir das mal!
In der digitalen Welt: Ihr habt euch dort kennengelernt und du zeigst dein Interesse an der wartenden Person mit Herzen und Smileys. Auch lustige oder eindeutige Posts versendest du. Deine Likes auf der Facebook-Timeline der anderen Person machen es spannend. Dann und wann kommt von dir ein kurzes „Hi, wie geht’s Dir?“ als Nachricht. Manchmal verabredest du dich, um kurz davor dann doch abzusagen. Aus scheinbaren und selbstverständlich stichhaltigen Gründen. Du bleibst in deiner Form, in deiner Kommunikation schon verbindlich. Doch im Grunde bleibst du zutiefst unverbindlich.
Natürlich gab es das schon immer. Einer fand den anderen anziehend, jedoch nicht anziehend genug. Und er wollte sich deshalb alle Optionen so lange wie möglich offenhalten. „Warmhalten“ nannten wir das in meiner Jugend. Das Prinzip war das Gleiche wie in den heutigen Zeiten – nur heute vereinfachen die vielen verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten es inzwischen sehr, den anderen auf Abstand zu halten. Und gleichzeitig eine angebliche Nähe vorzugaukeln. Für mich ergeben sich daraus zwei Fragen, die ich nicht beantworten kann:
- Warum machen Menschen so etwas?
- Warum machen Menschen das mit?
Die Warteschleife macht eine Zeitlang Spaß
Wenn es sich beim Auf-die-lange-Bank-Schieben um keine Beziehung, sondern um eine Sache handelt, bin ich mit deiner Handlungsweise einverstanden. Beim „Benching“ gehts um eine andere Situation. Hier ist ein Mensch betroffen. „To bench“, zu Deutsch „auf die Bank schieben“, scheint nämlich der neueste Schrei im modernen Kennenlernen zu sein. Jedoch ist das hier im negativen Sinne zu verstehen. Natürlich wird hier kein Mensch auf eine Bank gesetzt oder über eine Bank gezerrt. Es geht eher um das umgangssprachliche „etwas auf die lange Bank schieben“. Und zwar deine Entscheidung: Ja oder Nein zu der Person zu sagen. Diese Haltung der anderen Person gegenüber finde ich – ehrlich gesagt – sehr befremdlich.
Viele „Bencher“ meinen das allerdings überhaupt nicht böse. Sie fühlen sich durch ihr Handeln begehrt(er). Und das fühlt sich gut an. Optionen geben ihnen das Gefühl der individuellen Freiheit. „Bencher“ sind in der machtvolleren Position und haben die Kontrolle. Daher fühlt sich das „Benchen“ für sie überhaupt nicht unangenehm an. Sie haben dabei auch kein schlechtes Gewissen der anderen Person gegenüber. Und schließlich, so glauben sie, ist ihnen eigentlich nichts vorzuwerfen. Diese Situation ist mit der Situation der Mingles zu vergleichen. Über dieses andere Phänomen habe ich hier einen Artikel geschrieben.
Das „Benching“ wirkt im ersten Moment freundlich. Der „Bencher“ tut dem anderen ja erstmal nicht weh. Er weist ihn mit Worten und Aktionen ab. Er wartet einfach, bis es der anderen Person zu viel, oder – besser gesagt – zu wenig wird. Und überlässt ihr den letzten Schritt. Wirklich unangenehm wird es dann, wenn du deine Abfuhr hinauszögerst. Du weißt eigentlich schon, dass diese Person nur eine Option und keine Priorität darstellt. Und doch läßt du dir alle Optionen offen und die andere Person im Ungewissen.
Übrigens gibt es auch Profi-Bencher mit Dating-Ambitionen, die haben nicht nur ein, sondern gleich mehrere Eisen im Feuer. Während dieser Dating-Profi sich mit einer Person näher einlässt, sie trifft und kennenlernt, hält er die anderen „Gebenchten“ bei der Stange. Sollte das aktuelle Date nicht passen, so kann man sofort zur nächsten Person übergehen und diese für das nächste Treffen aktivieren. Eine „Lagerhaltung“ von beziehungswilligen Optionen ist – in meinen Augen – schon sehr verwerflich. Gibt es aber, habe ich mir erzählen lassen.
Eine Empfehlung zum Schluss
Die Phase des gegenseitigen Kennenlernens ist eine der schönsten, aufregendsten und gleichzeitig unsichersten Zeiten. Bei manchen Menschen ist diese mit viel Herzklopfen und Aufgeregtheit verbunden. Um dieses Gefühl ein wenig länger zu genießen, darf ich die ersten Kontakte und Treffen ein wenig hinauszögern. Das ist ganz einfach schön.
Im Miteinander merke ich schnell, wenn ich mir keine gemeinsame Zukunft mit der anderen Person vorstellen kann. Wenn ich das (zu mir selber) so entschieden sagen kann, sollte ich das schnellstens auch der anderen Person mitteilen. Die andere Person hat vielleicht ein abweichendes Bild und träumt von einer längeren Beziehung mit mir. Es ist mehr als fair, dann für klare Verhältnisse zu sorgen, und der Ungewissheit ein Ende zu setzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Ehrlichkeit sehr gut ankommt. Dazu habe ich noch eine weitere Situation im Kopf: Es kann passieren, dass wir uns im Leben wieder treffen. Wie heißt es doch so schön? – „Man trifft sich immer zwei Mal im Leben“ und dann möchte ich der anderen Person offen und ohne schlechtes Gewissen in die Augen schauen können.
Meine Empfehlung: Mache dir nichts vor, wenn dein Kontakt aus dem Internet „nicht in die Gänge kommt“ und dich hinhält. Auf diese Herzchen und Nachrichten kannst du auch gut und gern verzichten. Entweder du bist nur eine/r von vielen oder dein Kontakt macht dir etwas vor. Was auch immer, aber es wird wahrscheinlich nie zu einem Treffen kommen, wenn es um Benching geht. Dann beende am besten das Senden von Nachrichten. Wenn du mutig bist, schreibst du, was du denkst: „Das Benching ist hiermit beendet!“
Wie sind deine Erfahrungen mit diesem Thema? Welche Situationen hast du schon erlebt?
Dein Thomas
Lieber Thomas,
Dein Beitrag über Benching hat mir die Augen für meine Situation geöffnet. Endlich. Ich habe mich von meinem jahrelangen Bencher gelöst und einen klaren Cut gemacht und es fühlt sich gut an! Mein Selbstwertgefühl hatte sehr sehr darunter gelitten und ich war blockiert für einen wirklich ehrlichen Menschen an meiner Seite (Partnersuche), da ich den Bencher sehr liebte. Welche Naivität !Vielen lieben Dank nochmal für deinen interessanten Beitrag, Thomas.
Herzlichst
Ulrike
Liebe Ulrike,
vielen Dank für dein tolles Kompliment. Ich freue mich sehr, dass meine Zeilen als Unterstützung für deine Entscheidung beigetragen haben. Ich drück dir die Daumen, dass du einen liebevollen, aufrichtigen und authentischen Mann an deine Seite bekommst und viele glückliche Stunden mit ihm verbringen darfst.
Herzlichst, Thomas