Inspiriert durch die Einladung zur Blogparade “Erfinde dich neu!“ – von Susanna Belloni – schreibe ich heute diesen Artikel.
Viele Leute sagen, dass Madonna die Person des 20. Jahrhunderts ist, die sich am Besten immer wieder neu erfunden hat. Als Sängerin gestartet, dann Songschreiberin und Schauspielerin, daneben Autorin sowie Produzentin. Des Weiteren war sie als Regisseurin aktiv, ebenso ist sie als Designerin in Erscheinung getreten.
Ist sie ein passendes Beispiel der Neuerfindung für jeden, für „Otto Normalverbraucher“? Kann ich mich ständig – wie Madonna – neu erfinden? Ich gehe diesem Gedanken nach – und frage mich auch, ob etwas anderes damit gemeint sein kann.
Die Marke „Ich“
Im beruflichen Kontext wird die Marke „Ich“ gern in Seminaren entwickelt. Damit kann man (als Anbieter) übrigens ganz gut Geld verdienen. Die Vermarktung steht im Vordergrund. „Sei richtig gut, sei ausgezeichnet und rede möglichst viel darüber“, ist so ein Slogan aus einem der Seminare. Damit wird den Teilnehmern klar gemacht, dass ihre Leistung für die Karriere nicht mehr ausreicht. Zusätzlich hat jeder auch die eigene Person zu vermarkten. Soll heißen: Neben dem Inhalt habe ich auch die Verpackung anzupreisen. Nur mit meiner Leistung und mit meinen Erfahrungen komme ich nicht weiter. Ich brauche ein weiteres „Verkaufsargument“.
Wie soll das aussehen? Der Mensch als Ware? Ich als Produkt? Klingt für mich komisch. Sollte ich mich wie ein Produkt sehen? Wohl eher nicht, denn wahrscheinlich dreht es sich um das Optimieren, Verbessern und Entwickeln. Frei nach dem Spruch: „Höher, schneller, weiter“. So verstehe ich diesen Ansatz.
Beruflich wird von jedem erwartet, er möge sich doch bitte gefälligst neu erfinden – und zwar durchaus von Grund auf.
Vom Auftritt, der Erscheinungsform bis hin zur ureigenen Ausdrucksform des Individuums. Frisch umgestaltet, soll der „Sich-selbst-neu-Erfinder“ zu einer Vermarktungsmaschine werden, er soll zielgerichtet netzwerken und seine sozialen Beziehungen ordnen. Und zwar nach den Erfordernissen der ökonomischen Verwertung am Markt. Soweit der Anspruch der Wirtschaft an den homo eoconomicus.
Kann ich mich „neu“ erfinden?
Viele Menschen scheinen mit diesen wirtschaftlichen Anforderungen an ihre Person ihre Schwierigkeiten zu haben. Dafür suchen sie eine Begründung, die daran Schuld ist. Sie fangen also mit der Erforschung der Ursachen an. Man könnte meinen, dass jedes Ergebnis auf eine Ursache zurückzuführen ist. Die Wirkung der Ursache wäre das Ergebnis. Wenn man diese eine Ursache beseitigt, wäre das Leben veränderbar. Dann können wir uns neu erfinden, wie von den Ökonomen gewünscht. Und dann würden wir ein erfolgreicheres und glücklicheres Leben führen. So lautet der Tenor der Seminare, die Hilfe bei diesem Prozess versprechen.
Das ist die Theorie, denn in der Praxis bin ich kein isoliertes Einzelwesen. Ich bin ein komplexes und offenes System als Person. Das macht eine Ursachenforschung schwierig. Es gibt so viele unterschiedliche Einflüsse, die eine Rolle spielen können. Je nach Veranlagung und Sichtweise fällt mein Erklärungsmodell unterschiedlich aus. Und jeder Mensch hat in seiner Einschätzung Recht, denn es gibt nicht „die eine Wahrheit“.
Wenn das Neuerfinden nicht geht, was dann?
Sich neu zu erfinden geht nicht so einfach, wie viele meinen. Auch in den Seminaren ist das nicht möglich. Klar, die äußerliche Veränderung ist einfach und schnell vollzogen. Die neue Frisur bei der Frau, als Mann kann ich einen Vollbart tragen; auch ein Tattoo am Bein ist eine Veränderung, genau so wie stark abzunehmen. Das ist nach außen sofort zu sehen. Doch innerlich findet keine Veränderung dadurch statt. Ist das der Wunsch der Wirtschaft? Die äußere Veränderung? Ich denke nicht, denn eine „Neuerfindung“ basiert für mich viel mehr auf einer veränderten inneren Grundlage. Eine neue emotionale Basis der Entscheidung ist das Ziel. Eine andere Ebene der Sichtweise. Diese ändere ich nicht durch ein „Brush Up“ des äußeren Erscheinungsbildes. Das kann ich nur durch die Veränderung meiner persönlichen Strukturen schaffen.
Mich neu erfinden – mal anders gedacht
Meine Idee: Ich schaue mir die unterschiedlichen persönlichen Situationen an, die bei mir mit Ängsten verbunden sind. Diese können ein erster Hinweis sein. Ich kann hier meine intuitive Reaktion nutzen, um neue Wege zu gehen. Ich kann diese Wege ausprobieren und neue Erfahrungen machen. Das ändert meine Sicht. Mich neu zu erfinden heißt, meine gewünschte Zielrichtung in den Mittelpunkt stellen. Mein tolles internes System unterstützt mein Vorhaben, sodass im Kopf neue Verschaltungen der Synapsen aufgebaut werden. Es kann eventuell eine Weile dauern, bis ich alte ausgetretene Pfade verlasse. Doch meine Erfahrung zeigt, die Mühe lohnt sich. Aus eigener Erfahrung kann ich das sagen. Ich habe eine neue Freiheit in mir entwickelt, da ich flexibel auf Einflüsse reagieren kann. Mittlerweile vertraue ich mir, jede abgespeicherte Reaktion neu gestalten zu können. Und das immer wieder neu – somit erfinde ich mich neu, nur ganz anders. Eben nicht wie Madonna, in der Geschichte am Anfang dieses Artikels. Dahinter steckt – meiner Meinung nach – eine große PR-Maschinerie, inklusive Geldverdienen und Ausschlachtung der öffentlichen Person Madonna. Diese PR-Maschine habe ich als „Otto Normalverbraucher“ leider nicht zur Verfügung. Oder auch: Glücklicherweise nicht zur Verfügung.
Was ist zu tun bei der Neuerfindung?
Wenn ich die Veränderung meiner Person erreichen möchte, dann muss ich alle Hebel in Bewegung setzen. Ich kann eine neue, andere Version von mir gestalten. Ob ich nun eine neue Karriere anstrebe, meine Zukunft neu gestalten oder meine Beziehung verändern möchte. Das verlangt eine hohe Disziplin, die sich auszahlen kann. Wenn ich mich neu erfinden möchte, habe ich einen Vorgehensplan aufzustellen. Ich habe meine Potentiale zu identifizieren und ich darf nicht aufhören, sie zu verändern und daran zu lernen. So kann ich mich neu erfinden und das kann sich dann auch im Außen zeigen. Durch andere Reaktionen auf Mitmenschen. Durch andere Sichtweisen auf meine Aktionen. Und auch durch einen neuen Kleidungsstil. Letzteres muss nicht sein, aber es kann unterstützend wirken.
Hast du dich schon einmal neu erfunden? Wie hast du es gemacht und was hast du verändert?
Ciao Thomas!
Ich bin total überrascht über deine Perspektive, denn ich wusste gar nicht wie stressig es sein kann, wenn andere fordern, dass man sich selbst neu erfinden soll.
Mir ging es bei der Idee zu diesem Thema vielmehr darum sich Neues erleben zu lassen, und ich dachte zugegeben auch an Künstler, die sich ja auch immer wieder selbst neu erfinden. Doch im Gegensatz zu einem Künstler, der eine Bühnenpersönlichkeit künstlich erschaffen hat, ringe ich mit meinem Selbstbild. Mit dem Bild von mir, dass ich selbst in meinen Gedanken erschaffen habe und von dem ich vergessen habe, dass ICH es ändern kann.
Also eine neue Perspektive oder zumindest Weglassen von illusorischen Begrenzungen ist gefragt, da bin ich mit dir ganz einig.
Liebe Grüsse aus der Schweiz,
Susanna
Hallo Susanna,
danke für deine kurze Rückmeldung und es hat mir wirklich Spass gemacht, dieses Thema von einer anderen Seite zu beleuchten.
Wird doch immer wieder in den Medien geschrieben, dass es nur an mir liegt, wenn ich keinen Erfolg habe und kein glückliches Leben führe. Dann kommen die „schnellen Lösungen“ durch Seminaranbieter oder die „garantierten Erfolgsmittel“ und schon glaubt jeder, nun wird alles gut.
Mich neu zu erfinden benötigt Ehrlichkeit (mir selbst gegenüber), Kraft (die inneren Hindernisse anzugehen) und Disziplin (dabei zu bleiben, wenn sich keine schnellen Erfolge einstellen).
Dann können sich neue Perspektiven und neue Entscheidungen entwickeln.
Herzliche Grüße aus Berlin,
Thomas
[…] Wer wäre ich wenn ich die Wahl hätte? Ludwig: will einfach nur aktiv udn bewusst leben, Thomas: Betrachtungen aus dem Blickwinkel eines Coachs, Andrea: Im Alltag mit Kindern bleibt kaum Zeit für sich Ani: darf so bleiben wie sie […]
Hallo Thomas,
danke für deinen interessanten Blog-Beitrag zum „Sich-neu-erfinden“. Sich wie Madonna – unterstützt durch eine PR-Maschine – als „Ware“ neu zu erfinden, halte ich wie du nicht für erstrebenswert. Weder für mich, noch für meine Coaching-Klienten. Ich kann jedoch eine andere, bessere Version von mir selbst gestalten, wie du schreibst. Dazu brauche ich Ehrlichkeit, Kraft und Disziplin – ja, das stimmt. Ein klares Bild von meinem „zukünftigen Ich“ hilft mir außerdem dabei. Es gibt mir Orientierung und Energie.
Viel Erfolg und Freude bei Deinem anspruchsvollen Job, als Coach Menschen bei einer besseren Kommunikation zu unterstützen. Das macht die Welt im Kleinen ein bisschen besser.
Herzliche Grüße aus Berlin nach Berlin 🙂
Christine
Hallo Thomas!
Wirklich spannend, wie Du das Thema verarbeitet hast. Ich selber habe ja, wie Du weißt auch mit meinem Beitrag http://www.kinderalltag.de/mama-2-0-erfinde-dich-neu/ mitgemacht. Naturgemäß hat mich die Fragestellung aber auf einer ganz anderen Ebene erreicht.
Liebe Grüße
Andrea von kinderalltag.de
Hallo Andrea, danke dir für deine lieben Worte und ich finde deinen Zugang zum Thema ebenfalls sehr spannend. Herzlichst, Thomas