Eine Beziehungsform ist die Fernbeziehung, bei der die Partner räumlich voneinander getrennt leben. Das ist keine Seltenheit. Viele oder wenige Auto-, Zug- oder Flugstunden voneinander entfernt zu sein, spielt dabei eigentlich keine Rolle. Im Zeitalter der beruflich notwendigen Mobilität entsteht für die Partnerschaft eine ganz eigene Lebensbedingung. Für Piloten und Flugbegleitungen, Fernfahrer, Seefahrer und ihre weibliche oder männliche Partner. Und auch Manager, Politiker, Journalisten, Studierende und weitere Berufstätige leben häufig vom Partner räumlich getrennt.
Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens jede achte Partnerschaft „auf Distanz“ gelebt wird. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung spricht von 13,4 Prozent der Paare, die „entfernt zusammen leben“.
Fernbeziehungen gestalten sich oft schwierig: Das dauernde Warten aufs Wochenende oder auf den gemeinsamen Urlaub zermürbt. Oft scheitern Distanzbeziehungen gerade dann, wenn beide wieder zusammen sind, also am gleichen Ort sind. Beispielsweise, wenn die beiden ihre Fernbeziehung beenden und in eine gemeinsame Wohnung ziehen.
Meine Erfahrung mit Fernbeziehungen
Diese Erfahrung habe ich selbst gemacht. Ich hatte schon zwei Beziehungen in anderen Städten; einmal sogar auf einem anderen Kontinent. Beide verliefen ähnlich: Wir lebten durch tränenreiche Abschiede, das Warten aufs Telefonat und haben Unsummen an Fahrtkosten aufgebracht, um unsere Zweisamkeit zu leben. Meine Herausforderung kam erst, als wir planten zusammenzuziehen.
Die Beziehung zwischen den Kontintenten – Europa und den USA – war eine sehr intensive Beziehung. Wir schrieben uns Faxe damals (in den Neunzigerjahren) und hatten immense Telefonkosten. Die Deutsche Post berechnete für eine Minute 3,62 DM. Wenn wir zusammen waren, erlebten wir echte Hoch-Zeiten. Der normale Alltag konnte somit gar nicht entstehen. Ich denke, dass wir beide viel in dieser Fernbeziehung versteckt haben, denn als es wirklich Ernst wurde mit dem Zusammenziehen, haben wir gekniffen. Ich merkte, dass ich keine Lust auf Alltag, auf Routine oder stetige Zweisamkeit habe.
Ich fand es toll, alles Gemeinsame in die Wochenenden, in die gemeinsame Freizeit, zu pressen. Ich habe neben tollen Samstagen und Sonntagen auch traumhafte Urlaube verlebt. Doch befürchtete ich auch, diesen Standard auf Dauer nicht halten zu können. Wie denn auch, wenn ich dem Partner täglich begegne und die Alltagsmarotten langsam durchsickern? Mir gefiel dieses Bild der heilen Welt. Wir haben keine Zeit für Streits oder Auseinandersetzungen gehabt. Ich wollte die Glitzerstunden der Beziehung genießen – ganz ohne Alltagssorgen.
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Das Kernproblem der Fernbeziehung
Ich denke, das Kernproblem meiner Fernbeziehung lag darin, dass wir bei jedem Wiedersehen aus meist gänzlich unterschiedlichen privaten und beruflichen Situationen kamen. Bei den Zusammentreffen prallten daher zwei völlig verschiedene Lebens-Welten aufeinander. Das war nicht immer einfach.
Heute – nach dieser Erfahrung – sehe ich das so: Die größte Herausforderung bei einer Fernbeziehung ist eine ganz bewusste Art und Weise der Kommunikation – für die Ferne als auch für die Nähe – zu entwickeln. Wir haben damals versucht, uns „mit-zu-teilen“. Dazu gehörten die positiven und negativen Erlebnisse im Alltag, die jeder für sich allein erlebt hat. Wir tauschten uns aus über unsere Befindlichkeiten, die gegenseitigen Erwartungen und Hoffnungen, sprachen über Ängste sowie Befürchtungen. Dadurch konnten wir gegenseitig an der Erlebnis- und der Gefühlswelt des anderen teilhaben.
Auch wenn ich versuche, den anderen nach besten Möglichkeiten am eigenen Alltag teilhaben zu lassen, so bleibt doch das Kernproblem bestehen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich nur um eine Arbeitswoche oder um Wochen oder Monate der Trennung handelt: Wir müssen bei jedem Wiedersehen Erlebnisse, aber auch innere und äußerliche Veränderungen und Entwicklungen zusammenfügen – zu einer gemeinsamen Erlebniswelt.
Tipp für Fernbeziehungen
Eine Freundin gab mir mal einen guten Tipp, den ich später auch befolgte: Am besten ziehst du mit der anderen Person „auf Probe“ zusammen. Macht einen Zeitraum fest, den ihr beide nutzen wollt. Testet das Miteinander, um mehr über die Marotten des anderen im täglichen Ablauf zu erfahren.
Ein Beispiel für Akzeptanz in der Partnerschaft
Ich bin ein Morgenmuffel. Nach dem Wachwerden brauche ich ungefähr 90 Minuten, bis ich auf Betriebstemperatur gekommen bin. Da kann ich einfach morgens keine großen Diskussionen oder Gespräche führen. Ich fühle mich so früh dazu noch nicht wirklich bereit. Wenn ich als Morgenmuffel mit einem Frühaufsteher zusammentreffe, dann bin ich schlichtweg überfordert. Ich bin nicht bereit, schon Fragen zum Ablauf des Tages oder Pläne fürs Wochenende zu schmieden. Das mag ich einfach nicht
Es liegt natürlich an mir, das vorher zu kommunizieren. Am besten, bevor ich in die Situation komme, kann ich respektvoll und wohlwollend darauf hinweisen. Es ist eben nicht ganz einfach für mich – so früh am Morgen. Das ist eine der wichtigen Apekte einer guten Partnerschaft, um im Alltag – aber auch in einer Fernbeziehung – den anderen in seinem Anderssein zu akzeptieren.
In der Fernbeziehung mag man für ein Wochenende seine Gefühle und Bedürfnisse anpassen können. Im Alltag wird man das nicht tun können. Denn dann wird man auf Dauer unzufrieden. Daher ist es gar nicht mal so einfach, aus einer Fernbeziehung eine Alltagsbeziehung – oder lieber alltagstaugliche Beziehung – zu machen.
Was hilft? Miteinander zu sprechen! Führt viele Gespräche über euch und lernt euch besser kennen. Genießt die Glitzerstunden, aber wenn ihr aus einer Fernbeziehung zu einer Nahbeziehung wechseln wolltet, seid euch über die Änderung des Alltags bewusst.
Welche Erfahrungen hast du mit Fernbeziehungen?