Viele nutzen den Muttertag um Danke zu sagen. Wir nutzen ihn in diesem Jahr nicht, um die Mama zu beschenken, sondern um uns mit ihr zu beschäftigen. Wer ist eigentlich der Mensch hinter der Mutter? Was macht sie aus? Was haben wir von ihr gelernt? Wie viel von ihr steckt in uns? Mama, wer bist du? Diese Fragen hat eine liebe Freundin Ihrer Mutter gestellt und war über die eine oder andere Antwort überrascht.
Frag mal Mama
In seinem neusten Roman, »Mr. Gwyn«, erzählt Alessandro Baricco von einem Schriftsteller, der ein Buch in vier Kapiteln in Angriff nimmt. Er verfasst Kapitel 3 und 4, stirbt jedoch, bevor er die ersten beiden Teile schreiben kann. Obwohl der Anfang fehlt, wird das Buch veröffentlicht. Baricco schreibt dazu: »Für den Leser ist das eine Erfahrung, die man mit Fug und Recht eine besondere nennen darf, die als unsinnig zu bezeichnen jedoch falsch wäre. Nicht anders lernen wir unsere Eltern kennen und manchmal sogar uns selbst.«
So wie die Lebenszeit unserer Mütter, bevor wir in ihr Leben traten, sind uns auch oft Ansichten, Perspektiven, Gefühle und Erinnerungen unserer Eltern unbekannt – dabei sind die doch total interessant. Um diese Lücken zu schließen, habe ich mir ein paar Fragen aus der Fuelbox für Freunde für meine Mama herausgepickt. Die Antworten haben mich überrascht.
Liebe Mama. Was ist das Wichtigste, was Dir Deine Eltern beigebracht haben?
Respekt vor anderen Menschen; den Grundsatz zuerst zu denken und dann zu handeln; lernen Verantwortung zu übernehmen.
Ich weiß, dass ich den ersten und letzten Punkt auf jeden Fall auch von ihr mitbekommen habe. Und dass genau diese mir auch als Mutter wichtig sind weiterzugeben. Zugegebener Maßen habe ich mit dem »zuerst Denken, dann Handeln« immer mal wieder Probleme. Da bin ich eher der Ausprobier-Typ. Man ist eben nur zu Teilen das Kind seiner Eltern.
Wie hat es Dich verändert, Elternteil zu sein?
Plötzlich war da ein eigenständiges Menschlein, das ganz und gar von mir abhängig war, das sich an mir orientierte, mein Handeln weitgehend bestimmte. Ich musste eine neue Art von Verantwortung und Vorbildfunktion übernehmen.
Verrückt. Ich erinnere mich an mein erstes Jahr als Mutter. Dass hier »plötzlich ein eigenständiges Menschlein« in mein Leben trat und »ganz und gar von mir abhängig war« und vor allem mein Leben so stark bestimmte, war mir eine ungeahnte Last. Dieser Einstieg ins Muttersein war schwer für mich. Von meiner eigenen Mama hatte ich immer gedacht, sie habe das bestimmt ganz locker hinbekommen. Die Umstellung scheint aber auch eine ganz schöne Herausforderung für sie gewesen zu sein. Das entlastet mich. Und hebt sie ein wenig vom unangefochtenen Mama-Thron herunter. Ich denke, das ist ganz gesund.
Worauf bist Du wirklich stolz, möchtest aber nicht prahlen?
Auf meine beiden Kinder, die – klar, auch mit viel Glück – so »gut geraten« sind. Und dass ich auch beruflich trotz allem etwas erreichen konnte.
Diese Antwort rührt mich. Zumal ich das Gut-Geraten-Sein ja maßgeblich ihr als alleinerziehende Mama verdanke. Als Mutter erkenne ich erst jetzt, welche effektive Leistung hinter dieser Doppelbelastung von Arbeit und Familie steht, und bin beeindruckt, wie sie das vor über 30 Jahren hinbekommen hat.
Von welcher Meiner Qualitäten möchtest du mehr haben?
Menschenfreundlichkeit, positive Einstellung, Zielstrebigkeit, Durchsetzungswille.
Darüber, wie einen die eigenen Eltern sehen, macht man sich eigentlich kaum Gedanken. Oft ist es auch nicht wichtig, weil man merkt, dass man geliebt wird. Egal, weswegen. Es ist einfach so und hat damit etwas Bedingungsloses. Je älter man wird, je eigenständiger, je mehr man seine eigene Persönlichkeit entfaltet, desto eher wird man zu einem erwachsenen, unabhängigen Gegenüber seiner Eltern. Wie nehmen sie einem nun als eigenständigen Menschen wahr? Was schätzen sie an einem? Es ist wunderbar, genau das einmal zu lesen. Und eigenartig zugleich. Einen besonders ausgeprägten Durchsetzungswillen hätte ich mir selbst nicht zugeschrieben.
Es gibt eine Fuelbox für Paare und eine für Freunde. Elternteile sind beides nicht für uns. Sie sind Eltern. Und dennoch wird im allerbesten Fall die eigene Mutter irgendwann auch so etwas wie eine Freundin. Oder zumindest ein geliebter Mensch auf Augenhöhe. Um diesen Menschen jenseits des Eltern-Kind-Verhältnisses als eigenständige Person kennenzulernen, bietet gerade die Freunde-Box viele geeignete Fragen. Das wird nicht das letzte Gespräch sein, das ich mit meiner Mama über sie, ihre Vergangenheit, ihre Wünsche und Gedanken führe.
Danke, Mama.