Letzte Woche war es wieder soweit: Ich erlebte das, was ich überhaupt nicht mag. Kannst du es dir denken, was es ist? Ich verrate es dir. Manfred, ein Freund aus alten Tagen, meldete sich bei mir nach langer Zeit mal wieder. Er ist kurzfristig auf Besuch in Berlin und möchte mich gern sehen. Seiner Meinung nach wäre das doch eine gute Gelegenheit für eine Verabredung. Ich fühle mich zwar ein bisschen überrumpelt, muss einiges anders organisieren, aber antworte ihm: „Nun gut, ich freue mich. Verabreden wir uns für den Nachmittag.“ Er freute sich auch.
Unsere Verabredung kam näher, ich schaute auf die Uhr und beeilte mich, um pünktlich da zu sein. Ich war zur vereinbarten Zeit am Treffpunkt. Und wer war wohl nicht da? Man kann es sich denken, oder? Eine halbe Stunde wartete ich auf das Erscheinen von Manfred. Dann bog er um die Ecke. Etwas säuerlich reagierte ich auf sein Zuspätkommen. Er fand das alles gar nicht so schlimm. Was wirklich hinter dem Phänomen der Unpünktlichkeit steckt und warum manche Menschen überpünktlich sind, erfährst du in diesem Artikel.
Für die Unpünktlichkeit hat man immer eine Entschuldigung parat
Natürlich hat Manfred eine gute Entschuldigung. Der Weg war weit, die Anfahrt dauerte länger als gedacht. Alternativ gibt es weitere Begründungen: Viel Stress. Zu viele Termine. Oder der dringende Anruf aus dem Büro, der einen aufhält,. Komisch oder? Manfred stellt es so hin, als hätte ich nichts zu tun – und nur den Termin mit ihm in meinem Tageskalender. Dabei hatte ich schon zwei folgende Termine für mich weiter nach hinten geschoben – um Manfred zu sehen. Kennst du auch jemanden, der nicht nur ein paar Minuten zu spät kommt? Manche schaffen es regelmäßig zwanzig bis dreißig Minuten unpünktlich zu sein. Damit ist das Thema aber noch nicht durch: Bei jeder beruflichen Besprechung gibt es auch die eine oder den anderen Teilnehmer, die immer zu spät kommen. Mindestens fünf Minuten, manche überspannen es sogar mit fünfzehn bis zwanzig Minuten.
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Es sind immer dieselben Menschen mit ihrer gleichen Unpünktlichkeit
Das Bemerkenswerte daran ist: Es sind immer dieselben Personen! Derjenige, der ein paar Minuten später kommt, verspätet sich nie um zwanzig Minuten. Und diejenige, die sich grundsätzlich regelmäßig dreißig Minuten Zeit lässt, bevor sie ins Meeting kommt.
Nun, aus meiner Sicht hat das ganze Zuspätkommen nichts mit dem nicht vorhandenen Zeitgefühl zu tun. Denn es geht nicht um die fehlende Ausrichtung von Zeit. Wenn das so wäre, müsste sich die Verspätung bei den Leuten unterschiedlich auswirken. Wenn jemand meistens nur etwas zu spät kommt, könnte er sich auch mal deutlicher verspäten, wäre jedoch auch mal früher da und in manchen Situationen auch pünktlich. Doch das passiert eben höchst selten.
Mit anderen Worten: Es scheint pünktliche und unpünktliche Menschen zu geben. Es scheint ein geheimes Räderwerk zu laufen, welches verhindert, dass die Unpünktlichen rechtzeitig zur Verabredung da sind. Andere hingegen schaffen es pünktlich zu sein. Woher kommt also dieses Phänomen? Wenn ich daran denke, dass auch der Unpünktlichste es schafft, pünktlich in den Urlaub zu fliegen und und keine zwei Minuten zu spät ans Gate stürzt. In diesen Momenten schaffen sie die Pünktlichkeit. Ist das erstaunlich oder gibt es einen Grund, warum es in diesen Situationen funktioniert?
Die Unpünktlichkeit ist eine Ausrede
Die Zeitprobleme der Unpünktlichen haben – meiner Erfahrung nach – nichts mit dem Zeit-Faktor zu tun. Sondern dieses unpünktliche Verhalten hat für den jeweiligen Menschen eine herausragende Bestimmung. Das passiert nicht etwa bewusst. Ich unterstelle niemandem, dass er bewusst und absichtlich unpünktlich zur Verabredung erscheint. Doch der Unpünktliche fühlt sich angegriffen, wenn ich sein Zuspätkommen als Vorwurf formulieren würde. Für den unpünktlichen Menschen tragen immer äußere Umstände oder andere Personen die Verantwortung für sein „Zuspätkommen“. Er wurde halt aufgehalten, oder das Telefonat dauerte länger … er kann doch nichts dafür!
Für mich sind das alles fadenscheinige Ausreden. Aus meinen Erlebnissen können Menschen, die zu spät kommen, es immer schaffen pünktlich zu sein. Wenn sie unpünktlich sind, hat das meist einen der drei folgenden Gründe.
Es gibt 3 Typen der Unpünktlichkeit
Typ Nummer Eins: Wenn jemand stetig zwei oder drei Minuten zu spät kommt, fühlt er sich in seiner Autonomie eingeschränkt. Mit der eingegangenen Vereinbarung zum Termin fühlt er sich auf der unbewussten Ebene als fremdbestimmt. Auch wenn er selbst der Initiator des Termins ist. Ist es an der Zeit, sich auf den Weg zur Vereinbarung zu machen, meldet sich der interne Konflikt. Da wird dann noch schnell die Waschmaschine angestellt, eine eingegangene E-Mail schnell beantwortet oder der schon aufgeschobene Anruf erledigt – bis es kurz vor der vereinbarten Zeit ist. Erst jetzt macht sich derjenige auf den Weg zum Treffen. Das ist in dem Moment der beste gefühlte Kompromiss zwischen der festgesetzten Vereinbarung. Den gelebten Zwang und dem Bedürfnis nach Autonomie „Ich komme, wann ich will.“
Typ Nummer Zwei: Wer des Öfteren bis zu zwanzig Minuten oder mehr zu spät kommt, hat meist ein Thema mit der Aufmerksamkeit. Es könnte auch ein Status-Thema sein oder beides zusammen. Diese Menschen denken, sie würden „ihre Identität verlieren“, wenn sie pünktlich an Ort und Stelle sein würden. Sie glauben, dass keiner sie wahrnehmen würde. Wenn die Person jedoch zwanzig Minuten später erscheint, kann sie sich sicher sein, dass sie von allen wahrgenommen wird. Selbst wenn sie sich auf Zehenspitzen in den Raum schleicht. Und: Diese Menschen sind nicht gehetzt. Sie sind ganz ruhig und haben eine passende Erklärung oder sogar ein Drama parat. Immer. Ganz klar, sie sind prädestiniert dafür, dass ihnen etwas genau dann passiert, wenn sie eigentlich pünktlich los wollten. „Wirklich wahr“, so beteuern sie ihr Bedauern zur Unpünktlichkeit. Gleichzeitig wissen sie, dass sich keiner der Anwesenden traut einen Vorwurf zu formulieren. Das verhindert schon das „Drama“ oder die passende „Erklärung“.
Typ Nummer Drei ist der eigentlich unauffälligste Typ. Es fällt kaum auf oder ist besonders unangenehm, wenn jemand unpünktlich ist, weil er viel zu früh am Treffpunkt erscheint. Außer, sie erwischen pünktliche Menschen zu früh auf dem falschen Fuß. Das sind die Menschen, die eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit da sind. Sie haben eben die größten Befürchtungen zu spät zu kommen. Für sie wäre das unentschuldbar. Natürlich wissen sie, dass sie zeitlich kein Problem bekommen. Sogar wenn sie auch nur fünf Minuten vorher da wären. Doch sicher ist sicher. Oder mit anderen Worten gesagt: Ihre Sorge ist zu groß mit einem Vorwurf des Zuspätkommens leben zu müssen. Daher gehen sie auf „Nummer sicher“ und sind lieber viel zu früh da als nur ein bisschen zu spät.
Der versteckte Sinn bei Überpünktlichkeit oder Unpünktlichkeit
Wir haben viele Verhaltensweisen, mit denen wir unzufrieden sind. Doch sie haben einen versteckten Sinn, den wir erkennen sollen. Das gezeigte Verhalten erfüllt eine Aufgabe in uns, die uns normalerweise nicht bewusst ist. Deswegen „passiert“ es auch einfach so – und das immer wieder. Erst wenn uns dieser versteckte Sinn deutlich gemacht wird – ob durch Freunde oder Kollegen – können wir eine andere Verhaltensweise erlernen. Wir werden uns bewusst, was uns dazu bringt, überpünktlich oder unpünktlich zu sein. So können wir daran arbeiten, um uns wohl zu fühlen, wenn wir eine normale Pünktlichkeitskultur pflegen. Denn es hat auch etwas mit Respekt und Höflichkeit zu tun, die wir den anderen Menschen entgegen bringen, wenn wir unsere Zusagen einhalten.
Und nun zu dir: Wie pünktlich bist du bei Verabredungen?