Inspiriert durch die Einladung von Anette Neumann zu ihrer Blogparade „Was macht Zusammenarbeit richtig gut?“ schreibe ich heute über ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt.
Wie unterschiedlich „Zusammenarbeit“ definiert, gelebt und ausgeübt wird, bemerke ich jedes Mal, wenn ich als Coach und Organisationsentwickler in meinen Workshops mit teilnehmenden Mitarbeitern und Führungskräften spreche. Ein Beispiel: Im Workshop behandle ich das Thema „Arbeit und Zusammenarbeit“ mit Übungen, Reflexionen und auch Fragestellungen. Ich frage die Teilnehmer/innen, welche Ebenen des Miteinanders für sie im Büro ausschlaggebend sind. Sehr oft bekomme ich dann als Antwort: „Natürlich die Sachebene, Herr Wehrs.“
Was meinst du? Ist es die Sachebene, die unser Miteinander im Büro regelt? Ich denke nicht – es ist vielmehr die Beziehungsebene. Auf dieser Beziehungsebene geht es um Wünsche, Bedürfnisse, Erwartungen, Werte und weitere persönliche Beweggründe. Wie glaubst du, sind die Sach- und Beziehungsebene im operativen Alltag verteilt? Auf welcher der beiden Ebenen halten wir uns – im Kontakt mit den Kollegen oder Mitarbeitern – die meiste Zeit im Büro auf?
Nach Paul Watzlawik sind wir zu fast 80 Prozent auf der Beziehungsebene unterwegs. Im Umkehrschluss macht die Sachebene dann maximal bis zu 20 Prozent aus. Wenn man das Maximum annimmt, dann behaupte ich, dass diese „menschlichen“ Probleme die Effizienz von Organisationen mindern. Das gehört mittlerweile schon zu den Binsenweisheiten in Managerseminaren.
Richtig greifbar, klar erkennbar und beschreibbar – oder sogar quantifizierbar – ist dieser Einfluss offenbar nicht. Wir befinden uns im „Dunklen“, in der nur schwer zugänglichen psychologischen Ebene. Mitarbeiter/innen und Manager/innen meinen dazu: „Das ist nicht unsere Disziplin.“ Oft höre ich von den Mitarbeitern auch, dass Gefühle im Beruf nichts zu suchen hätten, das wäre eher Privatsache. Wenn ich nachfrage, dann höre ich Begründungen wie: „Man muss sich nicht mit den Emotionen beziehungsweise Gefühlen der Kollegen oder Mitarbeitern auseinandersetzen – dieses greift zu tief in die Privatsphäre ein.“
Da fragt man sich doch nach den Gründen, warum man als emotional orientierte und empathische Person das Miteinander im Büro oft als anstrengend und auslaugend empfindet. Oder wie geht es dir?
Zusammen-„Arbeit“ oder zusammen ein „Spiel“ spielen?
Schauen wir uns das doch mal genauer an. Wenn wir ganz allein auf uns gestellt unsere Arbeit machen: Wir sehen, es kommt etwas heraus, wir schaffen etwas weg. Der Berg unerledigter Vorgänge wird kleiner, wir kommen unserem Ziel näher. Wir erzeugen eine „Leistung“ und erzielen ein Ergebnis. Wir sind rundweg zufrieden mit unserer eigenen Arbeit!
Nun müssen wir aber auch mit anderen Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern zusammenarbeiten und gemeinsam ein Ergebnis erzielen. Kaum geht die Tür zum eigenen Büro auf, ist unsere Arbeit unterbrochen. Die E-Mails von Kollegen warten auf unsere Reaktion. Die Ausarbeitung eines Mitarbeiters liegt im Posteingang und muss bearbeitet werden. Oder wir werden zu einer Besprechung gerufen oder in eine Konferenz außer Haus eingeladen.
Nun ist es vorbei mit der konstruktiven Abgeschiedenheit unserer eigenen Arbeit, Jetzt wird es schwieriger. Viele haben deshalb einen Beschluss gefasst: Ehe ich mich mit anderen auseinander setzte oder mich auf andere verlasse, mache ich meine Arbeit lieber alleine!
Damit erzielt man Einzelergebnisse. Ohne eine Zusammenarbeit bleibt alles, was als Synergie-Effekt wichtig sein könnte, auf der Strecke. In der Arbeitswelt zwingen einen jedoch Wertschöpfungsketten, Prozessstrukturen, Dienstleistungen, Projekte, Lieferanten- und Kundenbeziehungen zur Zusammen-„Arbeit“.
Die menschliche Beziehung – beziehungweise Kommunikation – vollzieht sich auf den schon genannten zwei Ebenen: Der Sachebene und der psychologischen Beziehungsebene. Die Sachebene beherrschen wir im Allgemeinen. Haben wir aber für die psychologische Ebene auch das entsprechende Rüstzeug, um die „menschlichen Probleme“ lösen zu können? Ja, die Transaktionsanalyse stellt die richtige „Toolbox“ – den „Instrumentenkasten – zur Verfügung. Wir müssen diese Box nur ein wenig öffnen!
Warum denn nun aber gerade eine Transaktionsanalyse (abgekürzt: TA)? Nun, hinter ihr verbirgt sich ein sehr umfangreiches psychoanalytisches Konzept. Der Schöpfer Eric Berne (1910 -1970) setzte sich zum Ziel, auch ein erst achtjähriges Kind sollte die psychologischen Zusammenhänge verstehen können. Das ist hierbei die Besonderheit, die jedoch altersunabhängig stattfindet.
Therapien zwischen Therapeut und Klient sollten auf Augenhöhe stattfinden. Eric Berne wollte sie verständlich und für alle Beteiligten nachvollziehbar machen. Die Theorie sollte keine Geheimwissenschaft der Wissenden im weißen Kittel bleiben, sondern die Grundlagen menschlichen Verhaltens sollten durchsichtig und einsichtig gemacht werden. Das ist ihm und seinen Nachfolgern gelungen, aber er warnte auch früh: „TA is simple, but not easy“. Was soviel heißt, die Konzepte sind leicht verständlich, aber die Tiefe und Breite des gesamten Konzeptgebäudes ist nicht leicht zu beherrschen.
Was passiert bei der Zusammenarbeit?
Wenn (zusätzlich zur eigenen Arbeit) andere Menschen in diesem Prozess hinzukommen, Über- oder Unterstellungsverhältnisse eine Rolle spielen, mischen sich in diese, nunmehr entstehende Zusammen-„Arbeit“, viele Einflüsse der psychologischen Ebene ein.
Einer will sich ständig selbst darstellen, der andere holt sich seine Aufmerksamkeit anders. Der nächste stellt sich dumm, um seine Arbeit nicht machen zu müssen. Ein anderer erklärt allen immer bereitwillig, dass der Vorgesetzte ein Trottel ist. Der nächste weiß alles besser und ein anderer schiebt ständig die Schuld auf andere. Diese Verhaltensweisen werden damit viel zu wichtig. Sogar wichtiger als die eigentliche Arbeit, das Ergebnis und die Leistung.
Heißt das, wir müssen unser Verständnis von der Zusammen-„Arbeit“ ändern? Ja, ganz eindeutig. Wenn zwei Menschen oder mehrere Mitarbeiter in einem Arbeitsprozess vereint sind, gesellen sich zur eigentlichen, messbaren Arbeit und Leistung auch eine andere Dimension „scheinbarer Arbeit“ als Zeit- und Energieverwendung hinzu.
Es ist ein Aufwand, den eigentlich keiner braucht, der nur der trickreichen Befriedigung nach Anerkennung und Aufmerksamkeit der Akteure oder Spieler dient. Das ist abverlangte Leistung, die keinen Nutzen stiftet. In der Arbeitswelt nennt man das „reine Blindleistung“. Hier sehe ich eine Verschwendung in der Arbeitswelt. Auf der Theaterbühne kann so etwas dagegen durchaus sehr unterhaltend sein. Daher wollen wir das im Folgenden ein (psychologisches) „Spiel“ nennen.
Woran erkennst du ein „Spiel“ in der Zusammenarbeit?
Spiele im transaktionsanalytischem Sinne sind nicht das, was kleine Kinder mit Bauklötzen, einem Ball oder einer Schippe im Sandkasten tun. Es hat auch nichts mit Schachfiguren, dem Sport oder einem Computerspiel zu tun. Sondern es ist das, was man umgangssprachlich als „Spielchen“ bezeichnet. Der Volksmund sagt dazu vielleicht, „jemanden in die Pfanne hauen“ oder „verladen“ oder „ins offene Messer laufen lassen“.
Im privaten Bereich laufen die Spielchen auch ab. Zum Beispiel, wenn in einer Partnerbeziehung ein verliebter Mann von seiner Angebeteten hingehalten oder hintergangen wird und er sagt: „Du spielst mit mir“. Dann bedeutet das: Du bist nicht ehrlich zu mir, du hintergehst mich mit einem Trick oder du gehst nicht anständig mit mir um.
Zurück ins Büro: Was ist nun das Spiel und woran erkennst du, welches gespielt wird? Eric Berne hat zuerst auf die verblüffenden Regelmäßigkeiten von Verhaltensabläufen in Zweierbeziehungen und Gruppen hingewiesen. Es läuft ein Verhalten mit verdeckten „Transaktionen“ ab. Das sind unausgesprochene, halb bewusste Meinungen, Gedanken und auch Vorurteile, die Menschen voneinander haben.
Die Arbeit und die Zusammen-„Arbeit“ läuft auf der Verstandesebene ab. Die Transaktionsanalyse sagt dazu „unter Einschaltung unseres Erwachsenen-Ichs“. Die emotionelle Ebene muss einen gewissen Gleichklang haben, umgangssprachlich sagt man: Die Chemie muss stimmen! Spiele werden unter weitgehender Ausschaltung der Verstandesebene, des Erwachsenen-Ichs, aus der emotionellen Ebene gespielt. Hierbei nehmen die Beteiligten Rollen ein, denen die folgenden Mottos zugrunde liegen können: Retter, Verfolger und Opfer.
Retterrolle: | „Nun beruhigen Sie sich erst einmal, so schlimm ist das ja auch nicht. Ich werde mich Ihrer Sache gleich einmal annehmen!“
Versteckt: „Ich versuche nur, Dir zu helfen, Dir muss man ja auch wirklich helfen.“ |
Verfolgerrolle: | „So etwas darf man nicht durchgehen lassen, einmal verwarnen und wenn es dann auch nicht fruchtet, gleich rausschmeißen!“
Versteckt: „Jetzt hab ich Dich endlich, Du Schweinehund!“ |
Opferrolle: | „Ich kann machen, was ich will, bei mir geht alles daneben, mir gelingt nie etwas!“
Versteckt: „Tu mir etwas an, hau mich!“ oder „Vielleicht finde ich jemand, den ich für mich einspannen kann!“ |
Diese Rollen lassen sich in einem sogenannten „Drama-Dreieck“ darstellen. Drama-Dreieck deshalb, weil ihr Entdecker Stephen Karpman in Märchen und Dramen gestöbert hatte und herausfand, dass diese Rollen von den Akteuren immer dann eingenommen werden, wenn es besonders spannend wird.
Der Spaß an der Arbeit schwindet bei Spielchen
Weil die Menschen nicht nur zur Arbeit gehen, um finanziell zu „überleben“. Sondern Menschen wollen auch Spaß empfinden, bei dem, was sie tun und wofür sie sich verantwortlich fühlen. Da können Spiele sehr hemmend wirken. Sie verhindern den Spaß an der Arbeit und begünstigen resignierende Reaktionen wie: Ach, rutsch mir doch den …!
Welche Erlebnisse hast du mit „Spielchen“ im Büro erlebt? Wie gehst du mit diesen Spielen um?